Die Geschichte vom „Scheunenviertel Steinhude“ geht auf das Jahr 1756 zurück. Die Scheunen wurden am damaligen Ortsrand Steinhudes als Durchfahrtsscheunen errichtet, um das Heu und Stroh der Landwirte, welches eine hohe Brandgefahr darstellte, zu lagern. Auf dem zentralen Platz vor den Scheunen wurde Getreide gedroschen und Heu getrocknet. Seit 1871 dient der Scheunenplatz auch als Festplatz für das Volks- und Schützenfest und samstags findet dort der Steinhuder Wochenmarkt statt.
Getreide und Heu sicherten damals das Überleben von Mensch und Vieh im Winter. Früher erfolgte die Ernte von Getreide und Heu anders als heute. Die Getreidefelder wurden abgeerntet, das ungedroschene Getreide auf dem Halm in „Hocken“ zum Trocknen aufgestellt und später eingefahren. Heu konnte in guten Jahren zweimal nach dem Vortrocknen auf den Wiesen eingebracht werden. Dabei durfte es nicht nass sein.
Die Längsfahrtscheunen wurden architektonisch aus dem niederdeutschen Hallenhaus entwickelt. Neben der „Groot Dör“, dem großen Tor mit allen Bauteilen, Holzstärken, Maßen und Inschriften, waren Fachgrößen, Holzneigung sowie die konstruktive Durchbildung von Knotenpunkten zur Lastenverteilung an diesem ausgerichtet. Die durchfahrbare Längstenne mit den beiden Giebeltoren ermöglichte die gerade Einfahrt bei beladenem Fahrzeug von den zwei Giebelseiten. Durch dieses Verfahren ermöglichte man sich eine höhere Auslastung der Pferdegespanne und Fahrzeuge und das Einbringen von Heu und Getreide ließ sich somit im Ablauf beschleunigen. Die mit der Forke vom beladenen Wagen aufgenommenen Garben wurden von Mann zu Mann weitergegeben. Der letzte erfasste sie mit den Händen und legte sie in wechselnder Richtung lagegerecht im „Bansen“ neben der Tenne ab.
Nach dem Entladen, mussten die Fahrzeuge nicht mehr, wie im niederdeutschen Hallenhaus, umständlich von Hand rückwärts heraus geschoben werden, da sie auf der anderen Seite ausfahren konnten.
Die Scheunen mussten gut durchlüftet sein, damit das gelagerte Getreide nachtrocknen und das Korn in Ruhe nachreifen konnte. Darüber hinaus sicherte die Durchlüftung die Keimfähigkeit des Korns. Auf der Tenne wurde das Korn teilweise auch gedroschen.
Mit der zurückgehenden Landwirtschaft nach 1945 verringerte sich auch die Bedeutung des Scheunenviertels. Einige Scheunen brannten ab oder verfielen ohne bauliche Unterhaltung. Der letzte historische Brand ereignete sich am 24.11.1756, wonach das Scheunenviertel insgesamt neu aufgebaut wurde.
Ehemals lagen an diesem zentralen Platz vermutlich 20-25 Scheunen. Das Viertel verkam zu einem Hinterhof und die übrig gebliebenen Scheunen wurden höchstens noch als Unterstand für Boote genutzt.
1993 entwickelte die Stadt Wunstorf die Idee, dieses Viertel für die EXPO 2000 wieder mit Leben zu füllen. Am 29.7.1997 wurde es von der EXPO 2000 Hannover GmbH registriert. Das Projekt „Revitalisierung des Scheunenviertels“ wurde geboren.
Die Zukunft der Vergangenheit
Die Stadt Wunstorf hat 1995 einen Antrag zur Anerkennung der „Revitalisierung des Scheunenviertels in Steinhude“ als dezentrales Projekt zur Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover gestellt. Am 29. Juli 1997 wurde es von der EXPO 2000 Hannover GmbH registriert. Wie alle registrierten Projekte erfüllt es Kriterien, wie gute Erreichbarkeit für Besucher, sinnvolle Nutzung nach der EXPO, für das Publikum der Weltausstellung interessant, finanzierbar und für Kooperationspartner aus der Wirtschaft geeignet. Mit Datum vom 16. Dezember 1999 ist die Urkunde zur Anerkennung des weltweiten Projekts für die Stadt Wunstorf ausgestellt worden.Damit ist das Projekt „Revitalisierung des Scheunenviertels in Steinhude“ als dezentrales Exponat der Weltausstellung in Hannover anerkannt worden.Inhaltliche Leitlinie für die EXPO 2000 war die Agenda 21, das auf dem 1. Umweltgipfel 1992 in Rio de Janeiro verabschiedete Handlungsprogramm für das 21. Jahrhundert. Darin verpflichteten sich die 179 Unterzeichnerstaaten dem Prinzip der nachhaltigen Entwicklung. Dies bedeutet wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soziale Verantwortung und ressourcenschonendes Verhalten. Ziel war es, die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu beschränken.
Das EXPO-Projekt konzentrierte sich auf sieben bestehende Scheunen, die renoviert wurden, und sechs Plätze, auf denen Scheunen, drei davon ausschließlich mit historischen Materialien, errichtet wurden. Im Rahmen des EXPO-Projekts ist eine Anlage von insgesamt 13 Scheunen in sieben Baugruppen behutsam wiederhergestellt worden. Durch den Wiederaufbau der historischen Scheunen wurde eine Neuerrichtung von Gebäuden überflüssig. Zusätzliche Flächen mussten dicht versiegelt werden.
Aus Gründen der Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit wurden zudem nur bestimmte Materialien (z.B. langlebiges Eichenholz, Tonziegel statt Betondachsteine, etc.) beim Wiederaufbau und der Neuerrichtung der Scheunen verwendet. Sie bestehen aus einem langen schmalen Raum, der ehemaligen Durchfahrt und dem sogenannten „Saal“. Die Durchfahrt wird in der Vorder- und Rückfront durch ein torähnliches Fensterelement dargestellt. Der nebenliegende Saal ist ca. doppelt so groß und ist zur Durchfahrt offen. Die Gebäude wurde auf Streifenfundamente mit einer darauf befindlichen Rollschicht aus Ziegelsteinen gestellt. Bei der Renovierung wurden Schwell- und z.T. Rahmenhölzer sowie Deckenbalken und Sparren erneuert. Das Fachwerk wurde bei den historischen Scheunen mit original erhaltenen Ziegelsteinen ausgemauert, erhaltene Lehmgeflechtfächer wurden wieder eingesetzt, wie bei den beiden Naturparkscheunen.
Die Dächer sind mit original Ton-Hohlpfannen eingedeckt. Das Regenwasser wird in Kupferdachrinnen abgeleitet und versickert auf dem Grundstück. Die Giebel von den Scheunen „Am Graben“ wurden verbrettert und einige haben unter dem First ein „Uhlenloch“ mit dahinter befindlichem Brustkasten. Die Fassadengestaltung der neuen Gebäude wurde den Originalen aus dem 18. und 19. Jahrhundert nachempfunden. Eine typische, dörfliche Anlage von Scheunen wurde somit wiederhergestellt, allerdings nicht unter musealen Aspekten, sondern um diese für verschiedene „moderne“ Zwecke nutzen zu können. Die Scheunen werden für Ausstellungs- und Informationszwecke sowie gastronomisch im Naturpark Steinhuder Meer genutzt.
Dezentrales Projekt zur Zeit der Weltausstellung EXPO 2000
Steinhude / Steinhuder Meer
1. „Naturpark Steinhuder Meer“
Untervorhaben:
1.1. „Revitalisierung des Scheunenviertels in Steinhude“
Das innerhalb Steinhudes gelegene Scheunenviertel wird zu einer zentralen Anlaufstelle für Besucher des Naturparks Steinhuder Meer renoviert und ausgebaut.
1.2. „Das Tote Moor soll leben“
Am Beispiel des „Toten Moores wird der exemplarische Nachweis erbracht, dass durch entsprechende Maßnahmen auch industriell abgetorfte Moorflächen wieder aufwachsen können.
1.3. „Brut- und Rastgebiet Meerbruch“
Am Beispiel eines Feuchtgebietes von internationaler Bedeutung wird demonstriert und dokumentiert, wie ehemals durch menschliche Eingriffe belastete ökologische Gebiete auf der Grundlage entsprechender Pflege- und Entwicklungspläne wieder zu Lebensstätten für spezielle Vogelarten werden können.
Nutzung bzw. Mieter des Scheunenviertels während der EXPO 2000:
Informations-Zentrum des Naturparks Steinhuder Meer
(2 Scheunen)
AG WESERLAND Touristische Arbeitsgemeinschaft
(1 Scheune)
Die Scheune – Andenken und Foto-Service
(1 Scheune)
Vogelpflegestation Gut Düendorf e.V.
(1 Scheune)
Café Cassis
(2 Scheunen)
Galerie Schlehn
(2 Scheunen)
Weinhaus Straußwirtschaft
(1 Scheune)
Steinhuder Spielzeugmuseum
(3 Scheunen)